Vom Kirchenbau in 32 Wochen und einem strengkatholischen Ammann auf dem Winzelisberg

Ortshistoriker Rolf Blust führte die Anwesenden an seinem Vortrag über die Geschichte der Kirchen im Egnach zurück in unruhige, von Auseinandersetzungen geprägte Zeiten. Er zeigte auf, dass es bis zum friedlichen Miteinander der beiden Kirchen ein schmerzvoller Weg gewesen ist.

Am Sonntagvormittag feierten Angehörige der katholischen und der evangelischen Landeskirche gemeinsam den Dank-, Buss- und Bettags-Gottesdienst auf dem Winzelisberg. Dass das nicht immer so war, zeigte Rolf Blust an einem Vortrag über die Geschichte der beiden Kirchen am Samstagabend auf. Rund 30 Personen folgten seinen Ausführungen an einem schattigen Platz auf der Südseite der katholischen Kirche, und nochmals so viele nahmen am zweiten Vortrag in der evangelischen Kirche teil.

Die interessierten Anwesenden wurden von den lebendigen Ausführungen des Ortshistorikers um Jahrhunderte in die Vergangenheit entführt. Damals, als im 8./9. Jahrhundert in Arbon die Mutterkirche für alle kleineren Dörfer in der Region entstanden ist. Auch die Egnacher mussten den beschwerlichen Weg sommers wie winters für Beerdigungen und Messen nach Arbon in Kauf nehmen. 1515 entstand in Erdhausen dann eine kleine katholische Kapelle, in der für Alte und Kranke Gottesdienste gefeiert werden konnte.

Die Reformation stellte alles auf den Kopf

Die kirchliche Welt wurde mit der Reformation komplett auf den Kopf gestellt – kein Stein blieb mehr auf dem anderen. 1528 gab es in Egnach nur noch fünf katholische gegenüber 240 evangelischen Haushalten. 1712, nach der letzten Schlacht Katholisch gegen Evangelisch in der Schweiz, wurde im vierten Landfrieden festgehalten, dass alle Konfessionen gleich sind. In Neukirch wurde der Bau einer evangelischen Kirche beschlossen: Am 21. März 1727 wurde mit dem Bau begonnen, bereits am 9. November - nach nur 32 Wochen - wurde der erste Gottesdienst in der Kirche gefeiert. Endlich konnte sich das Egni von Arbon lösen.

Doch auch die Katholiken spürten in diesen Jahrzehnten Aufwind: Als der katholische Ammann Jakob Stäheli 1650 stirbt, wird gegen den Willen der mehrheitlich evangelischen Einwohner vom Obervogt den Egnachern wieder ein katholischer Ammann vorgesetzt: Adam Sager aus dem Luzernischen – ein strengkatholischer Mann. Er bewirtschaftete ein Bauerngut auf dem Winzelisberg, schlichtete als Ammann kleinere Streitereien im Amtshaus, dem heutigen Gasthof Winzelnberg, und sorgte erfolgreich dafür, dass sich viele Katholiken ansiedelten: 1734 lebten bereits 116 Katholiken in der Gemeinde.

Erbitterter Streit um den Standort

Klar, dass nun auch die Katholiken ein grösseres Gotteshaus wollten – nur: wo soll es stehen? Ein erbitterter Streit um den Standort begann. Der mächtige Kantonsrat und Dorfkönig Albert Sager erachtete den Standort im Dorf Steinebrunn als richtig, andere wollten die Kirche auf dem Winzelnberg errichten. Es entbrannte ob dieser Frage eine Art Kriegszustand bei den Katholiken, mit hässlichen Streitereien, Intrigen und Beleidigungen. Weil der Bund angesichts der tiefen Wirtschaftskrise Subventionen versprach als Bauanreiz, konnten sich die zerstrittenen Katholiken dann aber plötzlich schnell einigen und es pressierte mit dem Spatenstich, um von den Geldern profitieren zu können. Am 13. Okt. 1925 weihte schliesslich der Bischof die neue Kirche ein und 1927 ertönten erstmals die neuen Glocken auf dem Winzelnberg – zusammen mit den neuen Glocken von Neukirch.

Bestellung Vortrag gedruckt (10.-): Rolf Blust, Gristen 2, 9315 Neukirch oder roblust@bluewin.ch

Christa Kamm-Sager